Gemäß
einer Verlautbarung in Presse und Rundfunk seitens der Betriebsleitung
des Erzbergwerkes Grund ging infolge Erschöpfung der bekannten und
wirtschaftlich abbauwürdigen Erzvorräte eine Ära zu Ende.
Am Sonnabend, den 28. März 1992 wurde das letzte und bedeutendste
Werk seiner Art in der Bundesrepublik Deutschland stillgelegt. Wechselvoll
wie das Leben, war die Geschichte dieses Traditionsbetriebes. Bereits 1564
wurde er als Zubußzeche „Hilff Gots im Grundt“ erwähnt.
Im
Umfeld der Bergstadt suchte man sich immer wieder an den verschiedensten
Stellen nach Silberhaltigen oder Eisenerzen. Wobei der Eisensteinbergbau
am Iberg bereits um 1530 seine hohe Blüte hatte. Hier wirkten werktreu,
eben mit Herz und Hand, ganze Generationen. Das fand die Anerkennung der
Landesherren, die den in den Spalten der Berge schlummernden Schatz ahnten,
seine Hebung förderten.- Die Grube „Hilfe Gottes“ am Todtemannsberg
wurde am 31. Oktober 1831 als fiskalischer Betrieb in Dienst gestellt;
das war einerseits der Weitsicht und dem 6. Sinn des der Bergstädte
zugetanen Oberbergrat Ey zu verdanken und andererseits der bergmännischen
Ortsbevölkerung, die freiwillig und unentgeltlich an Wochenenden hier
schürfte. Erzsuche lohnte sich. Längst gab es ja im Oberharz
der Bergstädte sieben.
Je
tiefer man in die Berge eindrang, umso mächtiger waren die Erzadern.
Und es war farben- und strukturmäßig. Bilderbuchschönheit,
das Bändererz, Kokardeerz, Brekzieneerz und Ringelerz. Nicht zu vergessen
die Kristallstücke und „Regenbogen-Drusen“. Die füllen die Vitrinen
der Museen und die der Hauer. Eine Art Entschädigung für gefahrvolle
Schwerarbeit. Nun setzte mit zunehmender Teufe anfallende Wassermengen
dem Erwerbszweig fast ein Ende. Es mussten großräumig konzipierte
Wasserlösestollen her. Der erste dieserart geplante Akt gelang durch
den Bau des „Tiefen Georg-Stollens“, der mit einer Gesamtlänge von
18 000 Metern die Clausthaler Gruben und das Grundner Revier entwässerte.
Seine Bauzeit lag zwischen 1777 und 1799. Das austragende Stollenmundloch
befindet sich direkt unterhalb des Schanzeneingangs zur Abgunst.
Doch
diese einmalig bergmännische Großtat schaffte die Problemlösung
nur auf Zeit. Ein noch tieferer Stollen musste her. Das wurde der zwischen
1851 und 1864 angesetzte „Ernst-August-Stollen“ mit einer Gesamtlänge
von 29 000 Metern, der Haupt- und Nebenstrecken einbezog. Der Harzer Bergbau
festigte damit seine Weltgeltung. Dieser Stollen tritt bei Gittelde ans
Tageslicht.
Während
Schächte und Abbaufelder auch biblische Namen bekamen, verdankt der
„Tiefe Georg-Stollen“ seinen Namen nach seinem Bauzeit-Regenten, das war
Georg III von Hannover; der „Ernst-August-Stollen“ nach den Regierenden
Ernst-August I und GeorgV.
Konstanter
Wasserzulauf sicherte die Betriebsfunktionen. Für die Hilfe Gottes
sah Oberbergrat Ey die Lösung darin, aus dem 1743 errichteten Großen
Hahnerbalzer Teich, Stauvolumen 68 000 m³, Wasser dem Eichelberghang
zuzuführen, vermittels einer Röhrentour das Grundner Tal zu überwinden,
und dann am Knollen entlang dem Werk zuzuleiten. Später schaffte man
zwischen 1834 und 38: „Bau des Schulte-Stollens“ - zwischen Silbernaal
und hinter Wiemannsbucht diesseits - Wasserversorgung von der Innerste.
Apropos:
Betriebswasser: die ja auch von den Oberharzer Bergwerken benötigt
wurden: Ein Kunstbausystem von Hanggräben, Stollen und Teichen veränderte
die Landschaft gleichzeitig - und sehr zu ihrem Vorteil. Ließen es
zu einem Paradies für Wanderer und Naturfreunde werden - denkmalgeschützt.
Die Bauzeit des 15 km langen Dammgrabens lag zwischen 1732 bis 1840. Bergleute
bauten ihn. Seine Wasser verteilten sich auf die Teiche der Clausthaler
Hochebene.
Später,
ab 1892, führte man sie per Röhrentour der Turbinen-Station,
364 m Teufe, zur Stromerzeugung zu. Dann flossen sie im Ernst-August-Stollen
unter unserer Bergstadt ab gen Gittelder Mundloch und über die Weserzuflüsse
in die Nordsee.
(Ab
1.1. 1975 steht das Wasser-Regal dem Bergbau nicht mehr zur Verfügung,
sondern der größte Teil ergießt sich in die Okertalsperre,
der Rest speist als Trinkwasser die Bergstadt Clausthal-Zellerfeld. - Wie
denn ohnehin die alten Schächte längst verfüllt sind.)
Die letzte Bergparade, ein Zug von 450 Mann, verlässt mit Marschmusik
für immer das vertraute Werksgelände: In Würde! |
Und
wie war das nun mit einem Königsbesuch beim Erzbergwerk Grund? Vielleicht
darf man eine kleine Geschichtseinblendung vornehmen? Es berührt Interessantes!
Aus Vereinigung dreier hier naher Füstentümer entstand durch
Verleihung der Kurwürde des Kurfürstentums Hannover (durch Kaiser
Leopold II im Jahre 1692). Kurfürst Georg Ludwig wurde nach dem Tode
Anna Stuarts als Georg I König von England. Fortan bestand zwischen
Hannover und England eine Personalunion bis 1837.
Diese
wurde gegenstandslos, weil die weibliche Erbfolge: Viktoria in England
in Hannover nicht galt. Nach den Siegen Napoleon I über Deutschland
1806 gehörte Hannover - auch Bad Grund - zum Königreich Westfalen,
wurde jedoch auf dem Wiener Kongreß wieder zum Königreich Hannover
erhoben.
Ernst
August war König von 1837-1851; Georg V von 1851-66. Als jedoch Hannover
im Deutschen Krieg von 1866 auf Seiten Bayerns stand, die Schlacht bei
Langensalza verlor, tauchte es unter als preußische Provinz.
Mir
erzählte ein betagter Werksangehöriger von einen miterlebten
Königsbesuch beim Erzbergwerk Grund. Das war richtig und es handelte
sich um König Georg V von Hannover. Die Kutschanfahrt - beziehungsweise
der Anritt der begleitenden Leibregiments-Schwadron in Gala-Uniformen -
erfolgte von Gittelde und führte vor dem Knollen hindurch. Hier stand
die Einwohnerschaft, Schüler klassenweise und fähnchenschwenkend,
Spalier. Im Betrieb schmetterten die Werksmusiker preußisch, die
Belegschaft stand stramm, parademäßig, auch in Uniform. Das
war für die damaligen Verhältnisse fürwahr ein „Welterlebnis“,
wenn auch die meisten Menschen vor Ergriffenheit nicht jubeln konnten..,
so etwas gab’s nur einmal im Leben!
 Und
wer ist nun die im Bild festgehaltene erlauchte Tischrunde? Hintere Reihe
von links nach rechts: Regierungspräsident von Hildesheim Dr. Rabus,
Ministerpräsident von Niedersachsen, Dr. G. Diederichs, Oberkreisdirektor
Dr. Frede (Landkreis Zellerfeld); untere, vordere Reihe von links nach
rechts: Landrat H. Nuhn, Oberbergrat a.D. Dr. Ing. H. Röver von der
Hauptverwaltung Hannover, Bergwerksdirektor Dr. Salau.
Sie
- wie die Honorationen der Bergstadt- fühlten sich in unserer natürlich-fröhlich-ungekünstelten
Werksfamilie sehr wohl. Wenn zwei zusammengehörende Betriebe: Die
Grube „Hilfe Gottes“ und der Schwesterbetrieb „Bergwerkswohlfahrt“ im Verlaufe
des Bestehens 19 Millionen Tonnen silberhaltiges Blei- und Zinkerz zutage
brachten - das ist mengenmäßig unvorstellbar!- war auch eine
Werkfeier berechtigt!
Unerbittlich
näherte sich der mit Wehmut betrachtete schwarze Sonnabend, 28. März
1992,. Vor dem Eingang des Tagesstollens hatte eine Bergmannsabordnung
mit ihrer Bergfahne Aufstellung genommen. Reporter von Funk und Fernsehen
standen in Doppelreihe. Auf dem Platz zwischen Aufbereitung, Magazin und
Kaue ca. 450 Männer. Auf der Seilscheibenbühne wehte zum letzten
Mal die Fahne. Wie oft hatte ich sie in über 30 Jahren Werkzugehörigkeit
aus den verschiedensten Anlässen in diese schwindende Höhe gebracht,
von welcher aus man den Kreis Osterode einsehen kann! Noch war der Himmel
miesgrau – wie könnte es anders sein?
Anschläger
des Schachtbedienungspersonals gaben die Anfahrklopfsignale zur Fördermaschine.
Der Maschinist reagierte. Atemlose Stille; Hauer in Arbeitskleidung schoben
nacheinander die letzten beiden geschmückten, beladenen, mit Erinnerungs-Metalltafeln
versehen Förderwagen ans Tageslicht: Einen für die Bergstadt,
er steht beim Kurmittelhaus, einen für das Bergwerksmuseum am „Knesebeckschacht“.
Ich hatte Last diese Aufnahmen zutätigen. Zwar weinen Bergleute nicht,
doch gibt es auch mal feuchte Augen.
Die
Mienen aller Kameraden sprachen Bände. Ihre Arbeitsstelle futsch.
Ihr Beruf nicht mehr gefragt. Aus, endgültig Aus, für immer.
Ihre Grubenbaue dem Grubenwasser übergeben. Der Himmel verstand es.
Regen setzte ein und ging binnen einer Stunde in einer alles zudeckenden
10cm hohen geschlossenen Schneelage über.
Dann
verließ unter ihrem Marsch „Glückauf auf! Der Steiger kommt“
die Bergkapelle, Fahnenabordnung, 450 Mann, stolz und aufrecht, gemäß
den Worten des in Goslar amtierenden, gebürtigen Bad Grundner Bergdirektors
Eberhard Fleisch, der sagte: „Wenn wir gehen, dann gehen wir in Würde!“
als letzte Bergparade die Grube „Hilfe Gottes“: in Würde! Für
immer!
Willi
Wagener
 |