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Bad Grund in Anekdoten, Berichten & Gedichten von Willi WagenerSeite 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7| 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 |
Gittelde – im Wiesengrunde – wohl eingebettet und schön. Gittelde –
allehrwürdig und geschichtsträchtig und einen eigenem Charme, das muss man eingesteh’n!
Gittelde – Der Ort im schönsten Wiesengrunde
Gittelde spielte im weiten Umfeld immer eine Rolle und nicht nur für die Bergstadt Bad Grund, deren Wiege dort unten stand. Von Gittelde kam auch der erste Badegast zu uns und der war gleich prominent, die Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg, die als Witwe im Amt Stauffenburg lebte. Sie nahm bereits 1510 hier ihr wohltuende Schlackenbäder.
Schon eine sich früh entwickelnde Eisenindustrie – die Faktorei von Gittelde – belieferte den Harz mit den erforderlichen Erzeugnissen. Gittelde war die Bad Grundner Anschluss-Station zur Eisenbahn; es versorgte Teile der Oberharzer Bevölkerung mit Lebensmittel. Der Blick von jeder Richtung auf Gittelde – eingebettet in der weiträumigen, grünen Landschaft, verfehlt die Wirkung nicht, ist malerisch. Zwei rechte Gotteshäuser, die Jahrhunderte alt sind, wirken wie dörfliche Stützpfeiler: ernst und gehaltvoll. Ein magisches Monument, gleichsam einer bergbaugeschichtlichen Ehrenpforte, stellt das Stollenmundloch des Ernst-August-Stollens dar; beim Schützenhaus von Gittelde in 202,5 m über der Nordsee.
Was war seine Bedeutung?
Die Erschließung des Harzes war eine Sache des Bergbaus; ein arbeitsintensiver, gefahrvoller und Opfer fordernder Weg – über Jahrhunderte.
Eine der beiden altehrwürdigen Kirchen der Ortschaft - die St. Mauritius-Kirche
Die Oberbergämter konnten in immer guter Verhandlungsführung mit regierenden Fürstenhäusern die erforderliche Infrastruktur dafür schaffen – Lebensverhältnisse für einen Berufsstand. Die Gewerke benötigten für ihre Antriebs- und Fördermittel viel Wasserkraft. Die sammelte man in über 70 Teichen des Oberharzes, über rund 300 Kilometer Gräben- und Wasserläufe, in einem sensationell ausgeklügelten System, unter Nutzung unzähliger Bergbau- Erfindungs-Patente. Wasser-Hauptlieferant: Quellbereiche und Hochmoore des Bruchbergs. Hingegen drohte bei immer größerer Teufe der Schachtanlagen ein Erliegen des Bergbaus, durch die dort anfallenden Wasser. Abhilfe konnten nur Wasser-Lösestollen schaffen.
Dazu diente erst einmal der Tiefe-Georg-Stollen; benannt nach dem derzeit regierenden Georg III. von Hannover. Der wurde erstellt zwischen 1777 und 1799, seine Länge betrug 10 521 m und mit Flügelörtern 19 000 m, sein Stollenmundloch liegt in Bad Grund, unterhalb der Zufahrt zur Abgunst (einst: vor dem ehemaligen Bad Grundner Bahnhof.) Bald war ein neuer, tiefer liegender Stollen geplant und in Angriff genommen. Die präzise fachmännische Vorarbeit für dieses schier unmöglich gehaltene Unterfangen lag in bewährten Händen einer Markscheider Persönlichkeit namens Borchert.
Das Ernst-August-Stollen-Mundloch - eine Ehrenpforte
Die Welt kannte damals nichts Vergleichbares. Der neue Stollen bekam den Namen Ernst-August-Stollen, weil er in die Regierungszeit von Ernst August I. und Georg V. fiel. Baubeginn war 1851, Fertigstellung 1864, Gesamtlänge einschließlich aller Flügelörter 33 km Länge; Höhenmaße bei 3m, Breite 2,40 m, er war also gut Schlauchboot befahrbar.
Da die Bergwerks-Gewerkschaften die Bau-Erstellungskosten nicht erbringen konnten, schoss das Königreich Hannover die fehlenden 330 000 Thaler bei. Damit war der Oberharzer Bergbau in Staatsbesitz.
1866 vereinnahmte Preußen das Königreich Hannover und war damit der Bergwerks-Eigentümer.
Abgesang:
Die aus dem Mundloch des Ernst-August-Stollens in Gittelde austretenden Grubenwassser des ehemaligen Erzbergwerks Grund, Grube „Hilfe Gottes“; (das Grubengebäude ist nach Schließung am 31. März 1992 geflutet) fließen über die Markau (Quellbereich unterhalb
des Hübichensteins) zur Söse.
Geblieben ist von einer hohen Zeit in Weltgeltung stehendes Harzer Bergbaus die Erinnerung, Grabenwege für Wanderer, Exponate für Museen und manchmal im Traum unser Gruß „Glückauf!“
Westlich von Gittelde gelegen erstreckt sich ein Höhenzug, den wir mit Westerhöfer Wald bezeichnen. Der kleine Anstieg zum Bergfried, auf welchem sich die Ruinen der ehemaligen Stauffenburg befinden, ist beachtlich. Die Ersterwähnung der Anlage war 1131, Gründung unter Heinrich I. Burgen wechselten oft ihren Besitzer. Hier übernahm der große Welfenherzog Heinrich der Löwe das Zepter. In der Reformationszeit lebte hier gern Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig- Wolfenbüttel. Und warum? Er benutzte das Anwesen als geheimes Liebesnest. Seine Angebetene ein Edelfräulein am Hofe zu Braunschweig, namens Eva von Trott. Beide waren unsterblich ineinander verliebt. Aber sie konnten sich nur hier in der Stille und Abgeschiedenheit der Landschaft treffen: Standesunterschiede.
Hier auf der Stauffenburg war für sie das Land des Wunderbaren, ihr Garten Eden. Hier gebar Eva ihrem herzoglichen Gemahl innerhalb von 9 Jahren einen Sohn und neun Töchter. Die Hebamme Kippenberg aus Gittelde stand ihr bei der Geburt zur Seite.
Die Ruinen-Anlage der Stauffenburg bei Gittelde inmitten einer wunderschönen Waldregion.
War Eva nicht guter Hoffnung, lebte man zwischenzeitlich fidel und munter in der Herzogstadt. Wie üblich sickerte aber die Sachlage bei Hofe durch und löste bei der Herzogin Marie und dem Hofstaat ein Erdbeben aus.
Die Liebenden gerieten in eine Notlage – und die macht bekanntlich erfinderisch. Auf das abenteuerliche Reagieren des Herzogs und seiner Eva – da muss erst einmal einer drauf kommen: Er ließ Eva in Gandersheim sterben, angeblich an der Pest. Kondolenz-Besucher erwiesen einer im Sarg aufgebahrten, getarnten Puppe die letzte Ehre. Makaber. Die Begräbnishandlung lief nach vollem kirchlichen Ritual –also auch mit Glockengeläut, ab. Und Eva ..., die ließ es sich indessen auf der Stauffenburg gut gehen. Das Personal war zum Schweigen vergattert. Der Prinzipal kam heimlich, aber beständig, nicht umsonst: wovon insgesamt zehn Kinder zeugen. Derartiges bringt einfach eines Tages die Sonne an den Tag. Heinrich brachte Eva zur Liebenburg. Geburten standen weiter an. Ihr letztes Asyl ward ihr in Hildesheim gewährt, wo sie etwas über sechzigjährig verstarb. –
Auf dem Vorplatz der Burganlage grüßt aus jener Zeit die Eva von Trott-Linde, die nichts gegen Liebende einzuwenden hätte. –
Die Liebeslinde der Eva von Trott und ihres geheimzuhaltenden herzoglichen Liebhabers Heinrich der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel
Äbtissin von Gandersheim: Die andere Episode, die sich im Jahre 1587 hier abspielte, löst fast einen Schock aus. Die Äbtissin Margarete von Wahrburg hatte intime Beziehungen zum Stiftsverwalter. Wegen sittlicher Verfehlungen verurteilte sie das geistliche Gericht; Urteil: Lebendige Einmauerung! So geschah’s. Nahrung reicht man der Ärmsten durch ein kleines Loch. Sie ertrug die Höllenqual acht Monate. –
Nach Nutzung als Amtmann-Wohnung und Gefängnis verfiel die Burg Stauffenburg mehr und mehr, wurde Baumaterial-Lieferant, wie so vielerorten.
Meine Frau und ich, wir sind vom Taubenborn gern zu Fuß durch die lieblichen Wiesengründe der Feldmark zur Stauffenburg gelaufen, haben von der Aussichtskanzel den Ausblick genossen, von der intakten Burganlage und den Liebenden geträumt. Ein anheimelndes Plätzchen – zweifelsohne. Das gepflegte Revier des Westerhöfer Waldes wirkte wohltuend. Der Laubwald ehrfurchtgebietend. Himmelhohe Buchen mit prächtigen Kronen – kuschelige Kleinareale poesievoller Selbstbesamung. Ein Wald der tausend Motive. Inmitten des Waldreviers eine eingefasste, murmelnde Quelle.
Oberhalb am Buchenstamm ein Schild! Inschrift: Gottes Brünnlein hat Wassers die Fülle! Welch wunderschöne Worte! (Ps.65,10). Hier ruhten wir stets und uns fehlte nichts zum Glück! –
Wenn wir von der anderen Waldseite uns Gittelde näherten, sangen wir: Im schönsten Wiesengrunde, ist meiner Heimat Haus.
Aus einem Garten im Ort winkt uns ein Mütterchen heran und schenkt uns Birnen. Nachmals: Dankeschön! Und wenn ich die schönen, alten Kirchen sehe – von denen Gittelde gleich zwei hat – wird mir’s immer so warm um’s Herz – dann muss ich beider Außenmauern kurz mal streicheln; wie ich am Stollenmundloch des Ernst-August-Stollens meinen Wanderhut ziehe!

Willi Wagener

Fotos: W. Wagener
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